Herzlich willkommen meine Damen und Herren! Ihr fragt euch vielleicht, wer ich bin. Am besten
stelle ich mich erst einmal vor. Ich bin die Frau von Musafer Sherif, dem bekannten
Sozialpsychologen aus den USA. Auch wenn ich in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelebt habe und
mir dieses ganze Internet etwas fremd ist, werde ich versuchen euch trotzdem die Forschung meines
Mannes zu Bildungssozialer Normen näher zu bringen. Er wäre ja gerne selber gekommen,
aber ihr wisst ja, Forscher sind immer schwer beschäftigt. Kennt ihr denn diese Schilder aus
Hotels? Mein Mann und ich waren unseren Zeiten ja schon immer etwas voraus und haben sehr auf
Umweltschutz geachtet. Daher haben wir unsere Handtücher natürlich immer öfter benutzt.
Aber heutzutage ist Umweltschutz ja noch mal wichtiger als zu unseren Zeiten. Daher ist es
natürlich extrem wichtig, die Leute dazu zu bringen, ihre Handtücher öfter zu benutzen und
den Aufforderungen auf den Schildern nachzukommen. Doch wie macht man das am besten? Diese Frage und
den Zusammenhang zwischen solchen Schildern und der Bildung sozialer Normen werde ich euch am
Ende erklären. Zuerst einmal muss ich euch den theoretischen Hintergrund zu sozialen Normen
näherbringen. Ich werde euch zunächst eine allgemeine Definition geben, damit ihr wisst,
was mit dem Wort Normen überhaupt wirklich gemeint ist. Dann stelle ich euch die Studien
von meinem Mann vor, mit denen ich als erster soziale Normen untersuchte. Damit das Ganze
nicht so abstrakt ist, komme ich am Ende noch mal auf die Anwendung im Real Life zu sprechen.
Doch erstmal ganz von vorne. Was sind denn eigentlich soziale Normen? Soziale Normen sind
gesellschaftlich anerkannte, konkrete Handlungsanweisungen, die unser Verhalten
ohne die Kraft von Gesetzen steuern. Sie drücken sich in enorm tiefen Erwartungshaltungen von
Personen aus und sind kulturell bedingt. So viel also zur Definition. Und wie sie entstehen,
das wollte mein Mann jetzt ganz genau wissen. Also hat er eine Studie dazu durchgeführt,
die er 1935 endlich veröffentlicht hat. Die Experimente seiner Studie basieren auf dem
autokinetischen Effekt. Falls das jetzt noch niemanden ein Begriff ist, keine Sorge,
ich stand auch erstmal mit einem Fragezeichen im Kopf da, als er mir das erste Mal davon erzählte.
Lasst es mich also kurz erklären. Der autokinetische Effekt beschreibt die optische Illusion, dass ein
Lichtpunkt, der auf eine Wand projiziert wurde, sich bewegt, obwohl er das eigentlich nicht tut.
Erklären lässt sich das dadurch, dass sich die Personen, denen der Lichtpunkt gezeigt wird,
in einem ansonsten komplett dunklen Raum befinden und es deshalb keinerlei Anhaltspunkte für die
genaue Position des Punktes gibt. Mein Mann hat sich nun also die Frage gestellt, wie Menschen
einen uneindeutigen Stimulus, wie den Lichtpunkt an der Wand, interpretieren und ob sie völlig
willkürliche Schätzungen abgeben oder einen eigenen Bezugsrahmen für sich schaffen. Er ging
aber noch weiter und wollte ebenfalls Folgendes untersuchen. Wenn mehrere Personen zusammen den
uneindeutigen Stimulus bewerten sollen, wird sie eine unterschiedliche Wahrnehmung der Illusion zu
noch willkürlicheren Schätzungen führen oder entwickelt sie gemeinsam einen Bezugsrahmen? Wird
sich ein System herausbilden, sich also eine gemeinsame Norm entwickeln? Ihr könnt euch
sicher vorstellen, die Stimmung war gespannt. Mein Mann konnte nächtelang nicht schlafen,
weil er so unbedingt eine Antwort auf diese Fragen finden wollte. Nun also zur Methode.
Es wurden männliche Studierende von zwei Universitäten als Versuchspersonen ausgewählt.
Diese wurden dann zufällig Gruppen zugeordnet. Es gab auf der einen Seite die Gruppe für
Einzelexperimente, an denen 19 Probanden teilnehmen sollten und es gab eine Gruppe für die Gruppenexperimente,
bei denen 40 Probanden teilnehmen sollten und in Gruppen von zwei bis drei Personen
angeteilt wurden. Für das Experiment wurden die Probanden in einen dunklen Raum gesetzt,
wo ihnen in mehreren Durchgängen für jeweils zwei Sekunden der Lichtpunkt gezeigt wurde.
Anschließend sollten sie ihre Schätzung abgeben, wie weit sich der Lichtpunkt bewegt hatte. Je nach
Gruppe wurden die Probanden der Situation entweder allein ausgesetzt und mussten ihre Schätzungen
auch allein abgeben oder sie durften in einer Gruppe an dem Experiment teilnehmen, wobei jeder
offen seine eigene Einschätzung abgeben musste. Soweit so gut. Jetzt wurde es spannend. Die
Auswertung der Daten begann. Wie sich herausstellte, haben die Personen in den Einzelexperimenten
einen eigenen Medien und ihre eigene Variationsbreite entwickelt, also eine Art eigenen Norm. In diesem
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:09:39 Min
Aufnahmedatum
2021-07-13
Hochgeladen am
2021-07-13 12:56:11
Sprache
de-DE
Dieses Video wurde von Studierenden im Seminar Sozialpsychologie erstellt.
Urheber*innen:
Sonja Gschoßmann
Jana Weinzierl
Nele Trierweiler
Aynur Mammadova